Die drei Spatzen
Es hat ein Igel sich geckenhaft und blasiert
Am ganzen Körper von oben bis unten rasiert,
Weil er abstechen wollte.
Stach wirklich auch ab.
Da nahte ein Fuchs.
Worauf der Igel sich igelartig zusammenrollte.
Aber der Fuchs verschluckte ihn flugs.
Igel bat Fuchsen, ihn doch wieder auszubrechen;
Er sei ein Igel und könnte empfindlich stechen.
Und mittels bauchrethorischer Worte
Sprach der Fuchs:
„Sie müssen verzeihn;
Ich hielt sie für ein kindliches Schwein,
Werde nun aber sofort Sie befrein.
Wenn ich bitten darf - durch die Hinterpforte.“
Der Igel gab keinen Laut mehr von sich.
Er war schon verdaut.
Überall ist Wunderland.
Überall ist Leben.
Bei meiner Tante im Strumpfenband.
Wie irgendwo daneben.
Überall ist Dunkelheit.
Kinder werden Väter.
Fünf Minuten später
Stirbt sich was für einige Zeit.
Überall ist Ewigkeit.
Wenn Du einen Schneck behauchst,
Schrumpf er ins Gehäuse.
Wenn Du ihn in Kognak tauchst,
Sieht er weiße Mäuse
Die Zeit der Steine
Die Zeit der Pflanzen
dann kam die Zeit der Tiere
dann kam die Zeit der Menschen
nun kommt die Zeit der Steine
Wer die Steine reden hört
weiß
es werden nur Steine bleiben
Wer die Menschen hört
weiß
es werden nur Steine bleiben
Immer montags nach Einbruch der Dämmerung
seh´ ich den kleinen, grauen Pfarrer mit dem Fahrrad fahr´n.
Zwei Plastiktüten mit leeren Weinflaschen voll
am Lenker schlenkernd zum Glascontainer karr´n.
Und da nimmt er die Flaschen doch er wirft sie nicht rein,
Er legt sie einzeln, behutsam und liebevoll hinein.
Denn am Montag ist der Glascontainer immer fast voll,
Dann geht das lautlos und keiner hört, was er nicht soll.
Und er faltet die Tüten in der Dunkelheit.
Und dann schaukelt er zurück in seine Grabeseinsamkeit.
Da ist Kurti und Kurti ist ein Fan von James Dean,
der sammelt alles über ihn und fragt mich dann und wann,
Weil ich doch auch ab und zu mal beim Fernsehn bin,
ob ich ihm nicht ein Autogramm von ihm mitbringen kann.
Ich hab´ ihm schon mal eins von Harald Juhnke mitgebracht.
Ich glaub´ das hat ihn wirklich glücklich gemacht.
In dem Album, das er mit sich rum trägt klebt es nun
Bei »Giganten« und »denn sie wissen nicht, was sie tun«.
Hin und wieder an der Haltestelle sehe ich ihn,
Und dann winkt er mir zu und unterhält sich weiter ... - mit James Dean
Das jüngste war ein halbes Jahr, als er abgehau´n ist
und sie weiß nicht, wie sie mit den dreien durchkommen soll.
Keinen Job außer Haus ohne Kindergartenplatz.
Ein Nachbar hilft mal mit einem Schein und ist verständnisvoll.
Und er redet mit ihr und bleibt auch mal über Nacht.
Und irgendwann hat sie´s auch mal für Geld gemacht,
Den Widerwillen überwunden und den Frust verdrängt,
Ein rotes Neonherz ins Wohnsilofenster gehängt.
Wenn die Kinder endlich schlafen, dann leuchtet es weit
In die Betonwüste und sagte hier gibt es Liebe in dieser Eisenzeit!
Die Alte tanzt mit ihrem steinalten, unförmigen Hund
vor der Pommes-Bude rum und spricht dich zahnlos an,
Ob du ihr vielleicht eine oder auch fünf Mark geben kannst,
nein, nicht für sie - damit sie Ihrem Hund ´ne Wurst kaufen kann.
Der räud´ge Köter ist ihr Freund und ihr ganzes Kapital.
Für’n Menschen gibt keiner was, für den Hund schon manchmal,
Der sieht dann zu, wie sie sich seine Gage einverleibt
Und kriegt, was auf dem Pappteller noch übrig bleibt.
Und macht Männchen für den allerletzten Tropfen Bier.
Und sie weiß, was sie an ihm hat und er an ihr.
Sven hat sich aus der fahrenden U-Bahn gehängt
zwischen Bahnhof Gleisdreieck und Hallesches Tor,
Ein bisschen mutiger als die andern, bisschen weiter noch,
Und da stand so´n blöder Mast ein bisschen weiter vor,
Svens Mutter arbeitet alleine und macht Doppelschicht,
Sven ist schmächtig und blass und hat ein Pickelgesicht,
Sven hat keine Base-Ball-Mütze und kein Mountainbike,
Auf Svens Kleidung steht nicht Diesel, Levis und Nike.
Und jetzt hat der Unfall ihm das bisschen Zukunft vergeigt,
Aber einmal im Leben, einmal hat er’s allen gezeigt
Der Wolf von Ludwig Hirsch
Ganz hinten in dem kleinen alten Tiergarten,
wo die Viecher ganz besonders traurig schaun,
da lebt mir scheint´s schon ewig
in´m dunklen engen Käfig der alte, räudige Wolf.
Ein´n Hasen und ein´n Tanzbärn, die hat er dort als Nachbarn,
der alte, räudige Wolf.
Den meisten Ärger hat er mit dem Hasen,
ein Vegetarier, no, was willst noch mehr?
Des Gfrast schimpft immer umtue,
ist frech und zeigt die Zunge dem alten, hungrigen Wolf.
Ja hinter einem Gitter san die Hasen sogar sicher
vorm alten, hungrigen Wolf.
Mit´m Tanzbärn kann er leider a net reden.
Wie der noch Tango tanzt hat, war´s no net so schlimm.
Seitdem man "Schwanensee" probiert und den Spitzentanz studiert,
da wern die andern Viecher alle ignoriert.
Er is zu jedem präpotent, der den Nurejew net kennt.
Was soll er machen, der alte, blöde Wolf?
Am Sonntag kommen oft ein Haufen Menschen,
die schaun ihn dann durchs Gitter deppert an.
Dann schimpfen s´ fürchterlich und spucken ihm in´s Gsicht,
weil er die Geislein gfressen haben soll.
Ja, den Hasen, den ham´s gern, da capo schrein´s beim Bärn.
Er hat´s net leicht, der alte, schiache Wolf.
Und einmal in der Wochen, jeden Freitag,
da wird er vom Wärter dressiert.
Mit´m Schwanz muss er dann wedeln und das Pfoterl muss er geben,
der arme, alte Wolf.
Einmal hat er bissen - drauf ham´s ihm die Zähn aus´m Maul außegrissn,
dem armen, alten Wolf.
Nur in der Nacht -- so zwischen elfe und halb zwölfe --
da singt er dann zum Mond das Lied der Wölfe:
Dort, wo der Regen net bitter schmeckt,
dort, wo die Nacht die Zigeuner versteckt,
dort, wo die Sonn´ deine Wunden heilt,
dort is des Land, das Freiheit heißt
so glaubt er der alte, blöde Wolf!
Dort, wo der Sturm die Baumspitzen quält,
dort, wo der Wind keine Lügen erzählt,
dort, wo ein Vieh kein Gitter kennt,
dort is des Land, das er Freiheit nennt,
der alte, räudige Wolf